Neue Entdeckung: Leonardo da Vinci wusste mehr über die Schwerkraft als erwartet!
Leonardo da Vinci war ein außergewöhnliches Talent: Er kreierte einmalige Kunstwerke, entwarf Baupläne, konstruierte Maschinen und fortschrittliche Fluggeräte und widmete sich Mathematik, Medizin und Astronomie. Sein Verständnis der Gravitation war erstaunlich modern, denn er erkannte schon vor mehr als 500 Jahren, dass sie einer Beschleunigung entspricht - und entwickelte Experimente, um dies zu belegen. Sogar versuchte er, die Gravitationskonstante zu berechnen - und lag dabei zu 97 Prozent richtig. Da Vincis umfangreiches Werk ist selbst heute noch kaum vollständig erforscht und für seine Bewunderung sorgt, und es wurde deshalb zum kulturellen Welterbe erklärt.
Morteza Gharib vom California Institute of Technology und sein Team haben auf einem unentdeckten Kunstwerk von Leonardo da Vinci gestoßen - aus Zufall. Gharib wollte ursprünglich Zeichnungen von da Vinci über Fluiddynamik heraussuchen, als er in der Codex Arundel-Sammlung auf einige Skizzen stieß, die seine Aufmerksamkeit erregten. Er hatte Gefäße gezeichnet, aus denen runde Partikel in schräger Bahn herabfielen und Dreiecke neben den Teilchen, die einen Winkel angeben. Die Labels „Equatione di Moti“ neben der Hypotenuse eines dieser Dreiecke, ein rechtwinkliges Dreieck, ließen ihn zögern. Gharib und seine Kollegen entschieden sich, den in da Vincis typischer Spiegelschrift verfassten Text auf diesen Skizzenblättern zu untersuchen.
Die Analysen ergaben ein Erstaunliches: Offenbar hatte Leonardo da Vinci vor mehr als 500 Jahren schon Experimente und Gedanken über die Gravitation, die weit vor seiner Zeit lagen. Er begriff, dass die Schwerkraft einer Beschleunigung entspricht. In seinen Aufzeichnungen erklärte er ein Experiment, mit dem man dies nachweisen kann: Wenn man das im Skizzenbild gezeigte Gefäß neben dem Boden bewegt und Wasser oder Sand herausfließen lässt, werden sie nicht im gleichen Tempo zu Boden fallen – die Schwerkraft erhöht die Geschwindigkeit. Die Forschungsergebnisse waren überraschend: Offenbar hatte Leonardo da Vinci vor mehr als 500 Jahren bereits Experimente und Überlegungen zur Gravitation gemacht, die viel fortschrittlicher waren als das, was damals bekannt war. In seinen Aufzeichnungen beschrieb da Vinci ein Experiment, um seine Hypothese zu beweisen: Wenn man das in den Zeichnungen gezeigte Gefäß parallel zum Boden bewegt während Wasser oder Sand herausläuft, wird man beobachten, dass sie nicht gleichmäßig fallen – die Schwerkraft beschleunigt den Abstieg. Da Vinci erkannte, dass der Test auch die Stärke der Gravitation messen kann: Wenn man das Gefäß mit einer Rate beschleunigt, die der Erdbeschleunigung entspricht, würde der Sand in ein rechtwinkliges Dreieck mit zwei gleichlangen Seiten fallen - genau diese Abbildung fiel Gharib auf. In seiner Beschriftung "Equatione di Moti" beschreibt Leonardo da Vinci die Äquivalenz der beiden orthogonalen Bewegungen.
Leonardo da Vinci konnte vor 1500 bereits ein wesentliches Merkmal der Gravitation verstehen und sogar die Erdbeschleunigung berechnen. In seinen mathematischen Berechnungen gelang es dem autodidaktischen Renaissance-Gelehrten, der Gravitationskonstante auf 97 Prozent Genauigkeit zu ermitteln, wie Gharib und seine Kollegen bestätigt haben. Erst 100 Jahre später, als Galileo Galilei 1604 die Beschleunigung eines fallenden Objekts in einer Formel beschrieb, konnten die Schwerkraft mathematisch korrekt beschrieben werden.
Da Vinci hatte erkannt, dass die Schwerkraft einem fallenden Körper eine gleichmäßige Beschleunigung verleiht. Er hat jedoch eine falsche Formel verwendet, um die zurückgelegte Distanz des fallenden Objekts proportional zur Fallzeit zu beschreiben, anstatt sie proportional zum Quadrat der Fallzeit zu machen. Laut dem Koautor Christ Roh von der Cornell University war dies jedoch nahe an der realen Beziehung.
Gharib und sein Team fanden heraus, dass die Fehlschätzung von Da Vinci durch die eingeschränkten technischen Möglichkeiten, wie etwa zur Zeitmessung, begrenzt war. Durch seine Skizzen konnten sie den Zeitraum bestimmen, in dem seine Formel und die korrekte Gleichung beinahe die gleichen Ergebnisse lieferten. Gharib betonte, dass die Tatsache, dass der große Denker und Erfinder sich um 1500 mit diesem Problem auseinandersetzte und so viel erreichte, beweist, wie weit voraus er seiner Zeit war.
Quelle: California Institute of Technology (Leonardo, 2022; doi: 10.1162/leon_a_02322)